Die Kerze

Es war der 5. Winter ohne ihren Mann. Die Zeit heilt alle Wunden, hatte sie einmal irgendwo gelesen. Und doch verschwand nie so ganz das Gefühl der Einsamkeit ohne ihn. Es war lange her, dass sie von Herzen gelacht hatte. Viele Jahre waren seitdem vergangen.

Sie zündete sich eine Kerze an und machte sich einen heißen Tee.
Ihre Wohnung hatte einen Hauch Vertrautheit; nichts hatte sie seitdem verändert.

Durch das geöffnete Fenster flackerte die Kerze hell und der Wachs floß in dünnen Strömen über das alte Holz des Schrankes.

Als sie die Bescherung bemerkte, löschte sie ärgerlich die Kerze und begann, vorsichtig den Wachs vom Holz zu kratzen. Sie zog den Schrank etwas von der Wand ab, und erblickte unter den Staubflocken etwas, was sie seit langer Zeit vermisst hatte.

Sie blies den Staub vom Metall und steckte sich den Ring an ihre rechte Hand.

Endlich konnte sie wieder einmal herzlich lachen.